Montag, 13. Juli 2009

Filmfest Report #5 - Achilles and the Tortoise

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Filmfest Report #5 - Akiresu to kame (Achilles and the Tortoise)

Das Filmfest in München ist inzwischen zwar vorbei, aber ein paar Reviews zu dort gesehenen Filmen hab ich noch. Heute will ich kurz über Takeshi Kitanos neuen Film "Akiresu to kame" reden.

Das japanische Multitalent Takeshi Kitano (alias "Beat Takeshi") ist außerhalb Japans vor allem als Regisseur und Schauspieler bekannt - seine Nebenberufe als Kunstdozent, Dichter, Autor, Moderator, Maler und v.a. Comedian werden im Ausland hingegen nicht ganz so wahrgenommen. Anders als hier musste er sich in seinem Heimatland die Anerkennung als ernsthafter Filmemacher erst hart erkämpfen. Selbst seine bekanntesten Werke wie "Dolls", "Kikujiros Sommer" oder seine melancholische Dramen aus dem Yakuza-Milieu wie "Brother", "Hana-bi" und "Sonatine" waren zumeist erst im Ausland erfolgreich.

Kitanos letzten Filme "Takeshis'" (2005) und "Glory to the Filmmaker!" (2007) drehten sich dann auch sehr selbstreferentiell um das Leben als Künstler in der Filmbranche und die Verwirklichung seiner Träume von Erfolg und Anerkennung. Während "Takeshis'" als Selbstparodie noch einen eher düsteren Blick auf diverse Alter Egos von Kitano warf, versuchte er sich in "Glory to the Filmmaker!" eher an einer komödiantischen Herangehensweise. Beide Filme kamen bei Kritikern und Zuschauern aufgrund der monotonen, oft unzusammenhängenden Selbstdarstellung und der teils abstrakten, teils surrealen Realisierung eher schlecht an.

"Achilles und die Schildkröte" bildet jetzt sozusagen den den Abschluß seiner filmischen Trilogie der künstlerischen Selbstfindung. Obwohl ich den zwei Vorgängerfilmen trotz einiger berührender und unterhaltsamer Szenen immer noch skeptisch gegenüberstehe, zu wenig konnten mich die Filme als Ganzes überzeugen und mitreißen, wollte ich unbedingt wissen, was Kitano nun in seinem neusten Werk verarbeitet.

Dieses Mal steht nicht die Filmbranche, sondern die Malerei (ein weiteres Steckenpferd Kitanos) im Vordergrund:

Hauptperson Machisu (Reo Yoshioka) kennt schon als kleiner Junge nur eine Leidenschaft, das Malen. Als sein Vater Selbstmord begeht, muss er zu seinem brutalen Onkel aufs Land ziehen. Der kann mit dem künstlerischen Interesse von Machisu so gar nichts anfangen und versucht ihn mit Prügeln zu "ehrlicher" Arbeit zu bewegen. Doch Machisu bleibt hartnäckig bei seinem Traum, erfolgreicher Maler werden zu wollen.
Als Jugendlicher schafft er (nun von Yurei Yanagi dargestellt) es dann auch auf eine Kunstschule, doch auch hier bleibt ihm trotz großer (und kreativer) Anstrengungen der Erfolg verwehrt. Weder mit seinen eigenen Werken noch mit Imitationen großer Künstler erreicht er die von ihm so ersehnte Anerkennung.
Als alter Mann schließlich hat Machisu (jetzt gespielt von Takeshi Kitano himself) zwar eine Familie gegründet, seine Leidenschaft zur Malkunst ist aber weiterhin ungebrochen und keine Möglichkeit, vielleicht doch noch ein geschätztes künstlerisches Werk hervorzubringen, wird ausgelassen.

Eingeleitet wird der Film mit einer animierten Sequenz, die das titelgebende Paradoxon des griechischen Philosophen Zenon von Achilles und der Schildkröte erläutert. Und so wie Achilles trotz seiner Überlegenheit die Schildkröte nicht einholen kann, so kämpft auch Machisu sein ganzes Leben lang um Anerkennung, die ihm jedoch trotz intensivster Bemühungen verwehrt bleibt. Selbst im hohen Alter hat er seine "Schildkröte" noch nicht eingeholt. Eine passende Metapher also für die steinige künstlerische Karriere von Machisu in diesem Film.

Der Hauptfilm besteht aus drei Teilen, die jeweils Einblick in einen anderen Lebensabschnitt Machisus geben, und neben unterschiedlichen Darstellern für Machisu auch durch Einsatz von Farbfiltern abgegrenzt werden.
Fängt die Erzählung Machisus Kindheit in leichten Sepiafarben noch sehr ruhig und gefühlvoll an (mit dem bei Kitano üblichen gelegentlichen Aufblitzen von skurrilem Humor und Situationskomik), so werden die Phasen der Jugend (im kalten Blaufilter) und vor allem des Alters (in kräftigen Farbtönen) zunehmend von Absurdität und abstrusen Handlungen geprägt.
Highlight des Film sind aber sicherlich gerade diese unkonventionellen Methoden, mit denen Machisu und seine Kollegen versuchen, ein Bild oder Kunstwerk zustandezubringen. Da darf es auch nicht weiter stören, dass im Dienste der Originalität und Kreativität auch mal ein Toter zu beklagen ist. Dieser tiefschwarze Humor, der in einigen Szenen zu sehen ist, bringt etwas Leben in das manchmal sonst etwas starre Geschehen. Wer davon einen Einblick erhaschen will, dem sei neben dem etwas nichtssagenden offiziellen Trailer der folgende Filmausschnitt empfohlen

Die drei Hauptschauspieler, allen voran Kitano selber, liefern gute bis sehr gute Leistungen ab und schaffen es überzeugend den Charakter eines Menschen zu zeigen, der sein ganzes Leben lang vom Streben nach künstlerischer Erfüllung besessen ist.
Für die ruhige Kameraführung mit den gewohnt langen, schönen Einstellungen ist wieder Kitanos Stamm-Kameramann Katsumi Yanagijima verantwortlich, mit dem er jetzt seit fast 20 Jahren zusammenarbeitet.
Die gemalten Bilder, die im Film zu sehen sind, sind wie bei vielen anderen seiner Filme übrigens von Kitano selbst.
Die Musikbegleitung kommt erstmalig bei Kitano von der vor allem als Produzentin von Anime-Soundtracks bekannten Yuki Kajiura, fügt sich aber sehr gut in das Gesamtbild ein und wirkt nicht zu aufdringlich. Im Trailer sind einige Ausschnitte der Musik zu hören, die da schon einen ganz guten Eindruck vermitteln.
Das Zusammenwirken von Regie, Kamera, Musik und Schauspielern wirkt hier insgesamt meist sehr harmonisch und geht endlich wieder mehr in die Richtung eines echten Kitano-Spielfilms.

Somit ist dieser Film meiner Meinung nach um einiges besser als Kitanos beiden letzten, thematisch ähnlichen Filme. Es gibt mehr zusammenhängende Szenen, auch kann man mehr mit dem Hauptcharakter und seinem Ringen nach Anerkennung mitfühlen. Der Film wirkt wesentlich runder und auch wenn es sich letztlich "nur" um ein vergleichsweise bodenständigen Drama handelt, so sind es die eingestreuten Albernheiten und skurrilen Ideen, die ihn zu etwas besonderen werden lassen. Von einem typischen "Kitano" kann man ja eigentlich bei keinem seiner Filme reden, zu unterschiedlich sind diese schon untereinander, doch die charakteristische Mischung aus Melancholie und Komödie ist auch hier zu erkennen.

Dennoch, an Kitanos frühere Meisterwerke kommt er nicht heran, zu langatmig wirken letztlich die 2 Stunden, zu anders oft in Stil und Dramatik die drei dargestellten Lebensabschnitte. Auf jede rührende Szene scheint ein langatmiger Dialog folgen zu müssen und die komischen Kunstexperimente werden wohl auf viele Zuschauer oft nur banal und albern wirken.
Trotzdem, wer bereit ist, sich auf den Film einzulassen, wird m.E. gut unterhalten und Kitano beim Schauspielern zuzuschauen ist auch immer ein Genuß.

Fazit also: Der Meister der schwermütigen Sanftheit ist noch nicht auf der Höhe seiner alten Schaffenskraft, aber auf gutem Werk dorthin!

Ein deutscher Kino- oder DVD-Release ist übrigens bis jetzt nicht in Sicht, aber die japanische DVD von Bandai von "Akiresu to kame" ist wohl schon erhältlich und hat angeblich auch englische Untertitel.

Tobias Fleischer

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