Dienstag, 30. Juni 2009

Filmfest Report #2: "Inju - La bête dans l'ombre"

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Filmfest Report #2: Inju - La bête dans l'ombre - The beast in the shadow - Das Geheimnis der Geisha

Und weiter geht es heute mit "Inju", dem neuen Film des französischen Regisseurs Barbet Schroeder, neben seiner intensiven Zusammenarbeit mit Rohmer v.a. bekannt durch Filme wie "Murder by Numbers", "Desperate Measures" und "Single White Female".

"Inju" hatte heute Deutschlandpremiere, lief aber letztes Jahr schon in Venedig und wurde dort ziemlich verrissen - was mich nicht davon abhielt, mir meine eigene Meinung zu bilden, zumal mich die Inhaltsangabe als Japanliebhaber natürlich besonders ansprach:

Der äußerst erfolgreiche französische Krimiautor Alexa Fayard (Benoit Magimel) stellt sein neuestes Werk in Japan vor, wo er auch den von ihm bewunderten öffentlichkeitsscheuen japanischen Autor Shundei Oe treffen will, sein großes Vorbild. Dieser hat bis jetzt aber noch keiner Person sein Gesicht gezeigt und
fordert Alex schon bei seinem erstem Auftritt in einer TV-Show telefonisch auf, Japan umgehend zu verlassen. Doch Alex wird dadurch in seinen Nachforschungen nur noch mehr angespornt. Als er in Kyoto auf die junge Geiko Tamao (Lika Minamoto) trifft, verliebt er sich sofort in sie. Nach anfänglichem Zögern erwidert sie seine Zuneigung und vertraut ihm schließlich ein dunkles Geheimnis an: sie wird von einem ehemaligen Geliebten bedroht, der angeblich niemand anderes ist als der mysteriöse Shundei Oe selbst. Alex entschließt sich, Tamao zu helfen, ohne zu ahnen, dass er sich dadurch selbst in große Gefahr begibt.

Soweit so gut - hört sich nach Standardthriller mit einem Schuß Exotik an.

Die literarische Vorlage in Form einer Kurzgeschichte stammt übrigens aus dem Jahr 1928 vom japanischen Kriminalautor Edogawa Rampo (1894-1965), dem Edgar Allen Poe Japans. Er ist in Japan angeblich bekannter als Poe in Amerika und Europa und war lt. Schroeder ein äußert verschrobener und perverser Schriftsteller - klingt ja schon mal vielversprechend!
Edogawa Rampo ist allerdings nur ein Pseudonym und stellt die japanische Aussprache von Edgar Allen Poes Namen dar, von dem der Autor, der mit richtigem Namen Taro Hirai hiess, ein großer Bewunderer war. Die Manga und Anime-Figur "Detective Conan" [Nachname Edogawa!] basiert übrigens auf Rampo und seinen deduktiven Mystery-Geschichten, aber das nur nebenbei, hat nichts mit dem Film zu tun.

Vor dem Film hat sich Regisseur Barbet Schroeder kurz vorgestellt und er erzählte ein bißchen, z.B. dass ihm der deutsche Titel ("Das Geheimnis der Geisha") nicht gefalle, weil er schon zu viel über den Film verrate, sich jetzt aber schon 20 Leute tagelang den Kopf darüber zerbrochen haben und die Marketingmaschine mit dem Titel schon angelaufen ist. Und dass der Film eine Hommage an das Kino selber und die amerikanischen B-Movies im besonderen sein soll, von denen er früher bis zu 3 Stück am Tag angeschaut hat.
Interessant war, dass er bis auf seinen Stamm-Kameramann (routiniert wie immer: Luciano Tovoli) ein rein japanisches Filmteam zusammentrommelte, das auch noch zur Hälfte aus jungen Frauen bestand - aha.
"And I really enjoyed watching those young women carrying the heavy cameras" - War der Mann zu oft mit Jess Franco saufen?

Nun ja, genug der Späße, der Film ging endlich los und zwar mit einer fantastisch-furiosen Eröffnungssequenz, die eine traditionelle Teezeremonie recht schnell in ein Blutbad verwandelt - abgetrennte Köpfe, Samurai-Schwertkampf und Schußwaffengebrauch inbegriffen. Bis sich das ganze nur als Film-im-Film entpuppt, den sich französische Literaturstudenten an der Sorbonne anschauen dürfen - das erinnert schon mal sehr an den genialen und zu Unrecht fast vergessenen "Angustia".

Danach geht es dann allerdings (leider?) ganz anders weiter - kein Blut und kaum Gewalt mehr, dafür ab und zu Prise Erotik, ohne allerdings zu explizit zu werden. Bis auf einen Fußblowjob, den einige Damen im Kino wohl so richtig abstoßen fanden :-)
Den Hauptteil des Films nimmt Alex Spurensuche nach dem unnahbaren Phantom Shundei Oe ein, wobei er sich von einem Stand- oder Tatort zum nächsten bewegt und einem Hinweis nach dem anderen hinterherhascht. Das ist ausnahmsweise aber nicht ganz so öde, wie es vielleicht klingen mag, denn die schöne Kameraführung und die abwechslungsreichen Locations entschädigen für den etwas trägen Plotverlauf. Gegen Ende wird versucht, die Zuschauer noch mit einem Twist zu verwirren, den die meisten aber wohl schon längst haben kommen sehen. Trotzdem ein zufriedenstellendes und würdiges Ende für diesen Film - welches ich jetzt natürlich nicht verraten werde.
Am Ende gab es übrigens noch eine Diskussion über Plottwists in Filmen - Schroeder erwähnte "Sixth Sense", "Seven", "The Usual Suspects", "Psycho" und "Fight Club" als Paradebeispiele für Filme, bei denen sich am Ende noch mal alles umdreht. Diese Filme spielen meiner Meinung nach aber in einer etwas anderen Liga als "Inju" - und als Schroeder wissen wollte, wer den Twist in "Inju" schon erahnt hat, hat leider fast die Hälfte der Anwesenden Leute im Kino die Hand gehoben...

Was mich aber bei "Inju" besonders begeistert hat:
Die Darstellung der Atmosphäre in Japan, v.a. die Menschen (inklusive der Geikos) wirkten wirklich überzeugend und passten gut zu dem exotischen Settings des Films ohne aufgesetzt zu wirken. Schroeder hat danach gemeint, dass leider weder er noch die meisten Zuschauer einschätzen können, wie realistisch seine Filmdarstellung einer Geiko letztlich geworden ist, weil es nur einer exklusiven Minderheit überhaupt möglich ist, einen Abend im Ochaya (Teehaus) zu verbringen und einen Einblick in dieses abgeschottete Leben zu erhalten, und dass es selbst ihm bei seinen Recherchen nicht möglich war, dies zu tun. Selbst wenn hätte ein Abend als Gast in japanischer Begleitung schon über 10.000 gekostet!

Mann, ich bin richtig richtig froh, vor knapp 2 Wochen selber diese Ehre und das Privileg gehabt zu haben, in einem der ältesten Geishahäuser Kyotos eingeladen gewesen zu sein und eine Geiko und Maiko kennzulernen zu dürfen und mehr über sie zu erfahren. Ich fühlte mich während des Films sofort zurückversetzt in meine Zeit in Japan. Der Film ist (soweit ich das als Nicht-Japaner beurteilen kann) wirklich akribisch recherchiert und gefilmt - da gibt es genug Negativbeispiele anderer Produktionen, die das nicht geschafft haben. Schroeder wollte nicht dem üblichen Klischee verfallen, Japan nur als oberflächliche, exotische Kulisse einzusetzen und ohne Rücksicht diverse kulturelle Referenzen wild durcheinanderzuwürfeln. Seine aufwendige Vorarbeit mit seinen Mitarbeitern und Beratern hat sich sehr gelohnt - die Zusammenarbeit mit einem rein japanischen Filmteam hat hier sicherlich auch noch dazu beigetragen.

Nachdem die Genehmigung für öffentliche Außenaufnahmen in Japan anscheinend sehr schwer zu bekommen war (es hätte z.B. wohl der schriftlichen Einwilligung aller Einwohner einer Straße bedurft, um dort zu drehen), wurde viel in den Studios und auf dem Gelände der Kurosawa Film Studios in Yokohama gedreht.
Die meisten Außenszenen wurden in Tokyo gedreht, obwohl der Film selber ja in Kyoto spielt, aber viel von den "Kyoto Landmarks" ist eh nicht zu sehen, bis auf einen Tempel und das rote Tor vermutlich vor dem Heyan-Schrein.

Besonders interessant für mich war, wie die Herausforderung der verschiedenen Sprachen umgesetzt wurde. Mir rollen sich immer die Zehennägel hoch, wenn ich asiatische Schauspieler im Nachhinein synchronisiert sehe - besonders im kulturellen japanischen Umfeld und im Kontext mit nicht-japanischen Schauspielern ist das für mich meist sehr befremdlich.
Hier wurde es hingegen gut gelöst: Alex spricht bis auf ein paar Brocken kein Japanisch, ist also auf Übersetzungshilfe angewiesen. Diese übernimmt hauptsächlich sein japanischer Freund Ken Honda, der praktischerweise Französisch studiert hat und sich somit darin - zwar mit japanischem Akzent, aber durchaus verständlich - artikulieren kann. Die Geiko Tamao spricht ebenfalls fließend Französisch, was die Kommunikation natürlich extrem vereinfacht. Die restlichen Charaktere sprechen Japanisch oder Englisch - das alles ist dann immer noch mit englischen Untertiteln versehen. Hört sich jetzt viuelleicht ein wenig nach Kauderwelsch an, hat aber gut funktioniert (liegt aber evtl. auch dran, dass ich alle 3 Sprachen mehr oder weniger verstehe) und ist mir lieber als jede unpassende Synchronisation. Beim Casting wurden übrigens explizit einige japanische Schauspieler gesucht, die auch französisch sprechen können.

Auch die Feinheiten der einzelnen Bezeichnungen haben sie berücksichtigt. So ist es z.B. absolut verpönt in West-Japan und insbesondere Kyoto die Damen "Geishas" zu nennen - die richtige Bezeichnung ist hier "Geikos". "Geishas" sind in der Regel unausgebildete Vergnügungsdamen, wie es sie v.a. während der amerikanischen Besatzung zu hauf gab - "Geikos" hingegen haben durch jahrelanges Studieren der traditionellen japanischen Künste wie Teezeremonie, Tanz, Gesang und gehobene Unterhaltung einen viel höheren Stellenwert und können und wollen nicht mit den "Geishas" verglichen werden. Etwa so, als ob man bei uns eine erstklassige Opernsängerin als Volksmusik oder Schlagerstar bezeichnen würde. Korrekterweise ist dann im Film auch nicht von "Geishas" sondern von "Geikos" die Rede, nur in einem Dialog wird das Wort "Geisha" (richtigerweise) verwendet. Lob an das Produktions- und Skriptteam!

Lika Minamoto verkörpert die Rolle der mysteriösen Geiko m.E. sehr gut, auch wenn sie ohne ihren Kimono und mit offenen Haaren bisweilen eher wieder wie das Wella-Shampoo-Model aussieht, das sie in diversen Werbespots schon verkörpert hat.
Benoit Magimel als Besetzung für den etwas tollpatschigen Krimiautor im fernen Osten fand ich dagegen nicht so passend - zu jung und glatt kommt er auf der Leinwand rüber, zu wenig schauspielerische Leistung wird von ihm gefordert. Ich hätte mir einen etwas älteren Schauspieler hier besser vorstellen können.
Für das Casting der Nebenrollen in Japan wunderte sich der Regisseur, wie talentiert die Japaner alle sind, bis ihm jemand erklärte, dass da einige der Top-Schauspieler Japans dabei waren - und so kamen dann u.a. Ryo Ishibashi und Shun Sugata zu ihren (kleineren) Rollen in diesem Film. Sind zwar nur Kurzauftritte, für Fans des japanischen Films aber natürlich ein Schmankerl.

Die Musikbegeleitung besteht aus einem eigens komponierten Score von Jorge Arriagada und läuft fast durchgehend über die Länge des Films. Meist angenehm im Hintergrund, schwingt sie sich bisweilen zu orchestralen Ausbrüchen empor, die ich z.T. etwas zu aufdringlich fand, ebenso wie den einen oder anderen ausgelutschten akustischen Schockeffekt als Stilmittel - aber vielleicht war das ja eine Hommage an die japanischen Horrorfilme wie Ringu, Ju-On & Co.
Kommentar von B. Schroeder zu seinem Komponisten: "I really enjoyed working with the composer, Jorge Arriagada. I drove him crazy, he drove me crazy - I liked it" :-)

Nun gut, was ist letztlich dabei für ein Film herausgekommen?
Ein nicht ganz mainstreamiger Hochglanz-Thriller - gut fotografiert, nicht zu brutal, nicht zu explizit - der sehr schön die Atmosphäre Japans einfängt. Mir kam es eigentlich wie eine Hommage an die klassischen französischen Policier-Filme vor. Das langsame Zusammensuchen einzelner Versatzstücke unterbrochen von einer gelegentlichen Verfolgungsjagd oder einer Liebesszene erinnerte mich außerdem sehr stark an Polanski oder Hitchcock, was ja nicht die schlechtesten Referenzen sind.
Also auf keinen Fall ein wirklich enttäuschender Film, und besonders Japanologen und Krimifans werden sicherlich ihren Spaß dran haben, auch wenn der Schlußtwist zu gezwungen wirkt und sich dem aufmerksamen oder erfahrenen Thriller-Kenner schon viel zu früh andeutet. Allerdings wird einem nichts wirklich Neues oder Innovatives geboten, letztlich ist er aber doch noch gut genug, um nicht im Durchschnitt unterzugehen.
Oder wie ein Reviewer auf IMDB so treffend bemerkte: "It's all been done before, but what the hell, it's done professionally."

Der dt. Kinostart ist übrigens vermutlich im August diesen Jahres - will aber gar nicht daran denken, wie sie dann das Synchronisationsdilemma angegangen haben...

Tobias Fleischer

Montag, 29. Juni 2009

Filmfest Report #1: "Imaginarium of Dr. Parnassus"

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An evening with Terry Gilliam - The Imaginarium of Dr. Parnassus

Hier nun mein erster Report vom Münchner Filmfest, und zwar gleich mit dem Eröffnungsfilm - dieses Jahr vertreten durch The Imaginarium of Dr. Parnassus, dem neuen Film von Terry Gilliam (Ex-Monty-Python und Regisseur von u.a. Twelve Monkeys, Brazil, Tideland). Im Schatten von Michael Jacksons Tod war dieser Film und Abend einem anderen tragischen Todesfall gewidmet - dem zu früh verstorbenen Heath Ledger in seiner letzten Rolle. Denn dessen Tod mitten während den Dreharbeiten schockierte die gesamte Crew und stellte sie zunächste vor große Probleme, führte aber auch zu kreativen Lösungen für diesen außergewöhnlichen Film.

Doch der Reihe nach...