Mittwoch, 1. Juli 2009

Filmfest Report #3: Akumu Tantei 2 - Nightmare Detective 2

ImageBanana - nightmaredetective2.jpg

Filmfest Report #3: Akumu Tantei 2 - Nightmare Detective 2

So, heute war dann der neue Film von Shinya Tsukamoto dran, dessen kreatives Schaffen ich ja sehr schätze. Ich bin wirklich ein großer Fan von seinen Filmen und seiner einzigartigen Stilmischung aus Psychohorror und Experimentalfilm.

Der experimentelle "Tetsuo - The Iron Man" und sein Nachfolger gelten inzwischen ja als Genre-Klassiker (er arbeitet übrigens gerade am 3. Teil "Tetsuo Project"), doch auch der obsessiv-perverse "A Snake of June", der beklemmend-geniale "Haze" und einige andere wie "Gemini" (nach einer Geschichte von Edogawa Rampo, siehe mein Review von "Inju"), "Vital" und "Hiruko the Goblin" mag ich sehr gerne und kann ich mir auch öfter anschauen.

Mit dem ersten "Nightmare Detective"-Film hatte ich dagegen ein bißchen meine Probleme. Die Story um einen Antihelden, der sich in anderer Leute Alpträume begeben kann, klang zwar sehr spannend, die Umsetzung fand ich dann aber etwas unausgegoren. Die Verfolgungs- und Tötungssequenzen warem extrem schnell geschnitten und so chaotisch-wackelig, das das Zusehen beizeiten enorm anstrengend war. Die konfuse Story verkam bald zur Nebensache und Popsternchen Hitomi in ihrem Leinwanddebüt als toughe Polizisten hat schauspielerisch kaum überzeugt und war allenfalls nett anzusehen.
Andererseits war die Atmosphäre einer unpersönlichen Großstadt bei Nacht perfekt eingefangen in kühle Kamerabilder, und das gute Sounddesign und die eine oder andere spannende Szene machten den Film dann doch noch erträglich für mich.

Und auch oder gerade weil ich den erste Teil nicht zu Tsukamotos besten Werken zähle, war ich auf das Sequel besonders gespannt.
Wie schon beim Vorgänger hat er hier auch wieder alles selber in der Hand gehabt und Drehbuch, Art Design, Kamera, Schnitt, Regie, Produktion übernommen.
Doch eigentlich ist es keine wirkliche Fortsetzung, denn der zweite Teil funktioniert unabhängig vom ersten und hat bis auf die Hauptperson, den Nightmare Detective Kagenuma Kyoichi, und dessen spezielle Fähigkeit nichts mit dem Vorgänger gemeinsam. Ein dritter Teil ist angeblich auch schon geplant, zumindest hat Tsukamoto schon beim Release des ersten Teils von einer Trilogie gesprochen.

Doch nun erstmal zum zweiten "Akumu Tantei": Der Nightmare Detective (wiederum verkörpert von Ryuhei Matsuda) hadert auch hier noch mit seiner Begabung, die er eher als Fluch ansieht, nämlich in die Träume anderer Menschen einzudringen. Als er von der Schülerin Yukie um Hilfe gebeten wird, lehnt er zunächst ab, da er mit seinen eigenen Alpträumen kämpft, in dem ihm seine Mutter erscheint, die sich erhängte, als er noch ein Kind war. Yukie hingegen wird ebenso wie ihre zwei Freundinnen in ihren Träumen von einer Klassenkameradin heimgesucht, die Rache will für die Drangsalierungen und Schikanen, die sie durch die drei erleiden musste. Als Yukies Freundinnen beide unter mysteriösen Umständen sterben willigt Kyoichi wiederwillig ein, Yukie zu helfen, entdeckt jedoch bald Parallelen zwischen Yukies Alpträumen und seiner eigenen Vergangenheit...

Was nach dem ruhigen Intro (ähnlich wie im ersten Teil) sofort auffällt ist der intensive Einsatz der Handkamera - alles wackelt und schwimmt umher, im Mittelteil gibt es kaum eine Minute, wo das Bild stillsteht, um klar zu erkennen, was hier überhaupt zu sehen ist. Klar, bei Tsukamoto waren solche hektischen Schnittfolgen und chaotische Kamerafahrten schon immer an der Tagesordnung, ich fand sie hier aber viel zu häufig und v.a. unpassend eingesetzt. Die kurzen, ruhigen Momente des Abtauchens des Detectives in sein Inneres oder die Träume anderer, dargestellt als das Versinken in einem dunkelblauen Ozean, sind mir dementsprechend noch am Angenehmsten in Erinnerung geblieben. Auch die Flashbacks in die Kindheit des Nightmare Detectives, die die dort entstandenen Ängste des Haupcharakters zu erklären versuchen, waren noch äußerst stilvoll und überzeugend inszeniert.

Richtig nervend fand ich aber den wirklich übermäßigen und meines Erachtens so in keinster Weise gerechtfertigten Einsatz von "cheap scares", also billigen Schockeffekten, die meist in harmloser Auflösung enden. Das kennt man inzwischen ja zuhauf auch von US-Horrorfilmen, wenn die unheimlichen Geräusche dann doch nur von der Katze verursacht werden, der Kessel auf dem Herd plötzlich zu pfeifen beginnt oder - der Klassiker - der verängstigte Teenager aus Angst vor dem Killer vorsichtig um die Ecke späht, die Musik bedrohlich anschwillt - um dann im Nichts verpufft, weil eben keiner da ist. Das wiederholt sich dann mehrmals, bis irgendwann mal doch jemand da ist und das Mädel im Idealfall einen Kopf kürzer ist. Natürlich gehört auch das als klassisches Stilmittel zu vielen Horrorfilmen dazu und wurde auch im ersten Teil schon eingesetzt, aber hier besteht wirklich ein Großteil des Films daraus - und das ist nicht wirklich schön, denn auf Dauer schafft das eben nicht den gewünschten Effekt, beim Zuschauer eine unbehagliche Stimmung dauerhafter Anspannung zu erzeugen. Ich fand es wie gesagt schon weit vor der Hälfte des Films unerträglich, einen dämlichen Schockeffekt nach dem anderen aufgetischt zu bekommen, vielleicht hab ich aber auch einfach schon zu viele Horrorfilme in meinem Leben gesehen :-)

Was die visuellen Effekte betrifft unterscheidet sich dieser Film schon sehr vom ersten Teil, in dem ja z.T. schon recht derbe und blutige Szenen zu sehen waren (DVD hat dann ja auch keine Jugendfreigabe bekommen). Der zweite Teil (mit FSK16 geprüft) geht hier wesentlich geruhsamer zur Sache und baut eher auf den psychologischen Horror. Also definitiv nichts für Gorehounds - ich kann mich glaub ich nicht an eine einzige Szene mit Blut erinnern. Der Verzicht auf solche blutige Auseinandersetzungen liegt aber z.T. wohl auch darin begründet, dass hier nicht wie im ersten Teil ein wirkliches, greifbares Monster das personifizierte Böse repräsentiert, sondern stattdessen die Gegner in der Psyche der Hauptpersonen in Form von Dämonen der Vergangenheit lauern, mit denen es sich auseinanderzusetzen gilt. Trotzdem hätte es nach meinem Geschmack schon manchmal mehr zur Sache gehen können. Die restlichen VFX waren guter Durchschnitt, haben mich aber nicht vom Hocker gerissen.

Lob verdienen wie fast immer die Soundeffekte und die atmosphärische Untermalung des Films. Wenn sich z.B. Yukei eine Modezeitschrift anschaut und bei jedem Umblättern einer Seite auf der Tonspur ein immer stärker werdendes Wummern eines stahlpressenähnlichen Geräuschs dazugesellt oder sich nackte Frauenfüße beim Auftreten auf dem Fußboden anhören wie ein Elefant, der durch eine Moorlandschaft stapft, dann schafft es Tsukamoto hier nur durch Überzeichnung der akustischen Realität auch in relativ harmlosen Szenen den Zuschauer zu beunruhigen. Oder als gegen Ende ein Sample&Hold-LFO eine tieffrequente Sägezahn-Drohne frequenzmoduliert und es immer unbehaglicher brummt, hat mir das auch sehr gefallen. Ich liebe einfach dieses eingestreute Gezische und Geblubber und die Industrial-Samples bei Tsukamoto! Umso enttäuschender, dass der visuelle Teil da nicht mithalten konnte.
Die Musik im Abspann war übrigens auch nicht schlecht, dürfte wie die restliche musikalische Untermalung (wie bei fast allen Filmen von Tsukamoto) von der japanischen Metal Percussion Industrial Band "Der Eisenrost" stammen - der Name ist hier Programm :-)

Zu den Schauspielern ist nicht viel zu sagen - es wurde wieder mit einem Recht kleinen Cast gearbeitet, so gut wie keine Nebendarsteller und Komparsen sind zu sehen. Während Ryuhei Matsuda trotz seines meist stoisch-schläfrigem Gesichtsausdruck genug Leinwandpräsenz aufbringt, um die Rolle des Helden wider Willens überzeugend zu spielen, verblassen die Darsteller der Schulmädchen m.E. schon sehr. Es mangelt meiner Meinung nach aber auch hier wieder an Möglichkeiten, dass sich einer der Schauspielerinnen irgendwie besonders profilieren könnte - meistens müssen die Mädels nur dumm aus der Wäsche schauen oder kreischend umherrennen - mmh.

Irgendwie hat das alles auf mich noch unausgeglichener gewirkt als beim ersten Teil, als ob sich Tsukamoto noch weniger zwischen psychologischem Mainstream-Horror und anspruchsvollem Experimentalfilm entscheiden konnte. Die goldene Mitte hat er zumindest meiner Meinung nach hier wieder nicht gefunden, zu wahllos wirken die Szenen aneinandergereiht, zu schematisch und vorhersehbar wird ein Schockszene nach der anderen abgespult.

Gute J-Horror-Filme gibt es inzwischen einige, auch wenn ich die kleinen Mädchen mit langen schwarzen Haaren als Unheilsbringer schon nicht mehr sehen kann. Aber neben den allseits bekannten "Ringu" und "Ju-On"-Produktionen gibt es durchaus auch noch mehr sehenswerte Filme dieses Genres aus den letzten Jahren, die mir besser gefallen haben als die "Nightmare Detective"-Filme, z.B. "Marebito", "Strange Circus", "A Living Hell", "Cure", "Long Dream", "Uzumaki", die "Kazuo Umezu's Horror Theater"-Reihe und einige mehr.
Und für die Freunde der experimentelleren Seite gibt es natürlich auch tollere Sachen, neben den zwei "Tetsuo"-Teilen z.B. "Salome" und "The Forbidden" von Clive Barker, "Tomato Kechappu Kotei" von Shuji Terayama, "The Flicker" von Tony Conrad, "Nails" und "Visions of suffering" von Andrey Iskanov und unzählige mehr.
Ich war nach dem Abspann jedenfalls schon ziemlich enttäuscht und hab mir danach zu Hause zum Trost noch mal "Tetsuo" angeschaut...

Fazit also für mich leider nicht die erhoffte Rückkehr Shinya Tsukamotos zu alten Tugenden - zu anstrengend und uninspiriert war mir dieser Film. Auf DVD werde ich ihn mir aber trotzdem noch mal anschauen, und sei es nur, um die Tonspur zu analysieren :-)
Ach ja, Sunfilm wird "Nightmare Detective 2" übrigens im Herbst diesen Jahres (vsl. Oktober) auf DVD und Blu-ray veröffentlichen, eine Kinoauswertung bleibt ihm also verwehrt.

Tobias Fleischer

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen