Montag, 29. Juni 2009

Filmfest Report #1: "Imaginarium of Dr. Parnassus"

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An evening with Terry Gilliam - The Imaginarium of Dr. Parnassus

Hier nun mein erster Report vom Münchner Filmfest, und zwar gleich mit dem Eröffnungsfilm - dieses Jahr vertreten durch The Imaginarium of Dr. Parnassus, dem neuen Film von Terry Gilliam (Ex-Monty-Python und Regisseur von u.a. Twelve Monkeys, Brazil, Tideland). Im Schatten von Michael Jacksons Tod war dieser Film und Abend einem anderen tragischen Todesfall gewidmet - dem zu früh verstorbenen Heath Ledger in seiner letzten Rolle. Denn dessen Tod mitten während den Dreharbeiten schockierte die gesamte Crew und stellte sie zunächste vor große Probleme, führte aber auch zu kreativen Lösungen für diesen außergewöhnlichen Film.

Doch der Reihe nach...

Der Film war im Programmheft gar nicht erwähnt, da die Zusage als Eröffnungsfilm erst knapp 10 Tage zuvor kam. Premiere hatte er zwar schon in Cannes, wo er außer Konkurrenz lief, doch hier endlich der erste Auftritt für eine größere Öffentlichkeit - oder wie Mr. Gilliam es formulierte: "You are the first real audience - the others were invited, but you had to pay for this, so I really hope you enjoy this movie".

Ich saß also mit charmanter weiblicher Begleitung im ausverkauften Kino und nach einer kurzen Ansprache von Terry Gilliam und dem Versprechen, später wieder für Fragen da zu sein hüpfte er unter großem Beifall schon wieder von der Bühne und der Film ging los.

Die Story ist Gilliam-typisch verrückt bis verworren und nicht einfach in Worte zu fassen, doch grundsätzlich würde ich das ganze (möglichst spoiler-frei) wie folgt umschreiben:

Der uralte Dr. Parnassus (Christopher Plummer) tingelt mit seinem schäbigen Wandertheater auf einem Pferdewagen durch das London der Neuzeit. Begleitet wird er bei seiner Magieshow von einer ebenfalls recht heruntergekommenen Truppe, bestehend aus seiner bezaubernden Tochter Valentina (Lily Cole), dem Assistenten Anton (Andrew Garfield) und dem zynischen Zwerg Percy (Verne Troyer). Doch auch wenn im modernen London keiner so recht Notiz von ihnen nehmen will, hinter der billig-wirkenden Fassade der merkwürdigen Gruppe steckt ein Geheimnis, denn ein magischer Spiegel erlaubt ausgewählten (und zahlenden) Zuschauern, in die Fantasie von Dr. Parnassus einzutreten und unglaubliche Welten jenseits ihrer Vorstellungskraft zu erleben. Doch das ist nicht das einzige Geheimnis, denn Dr. Parnassus ging vor langer Zeit einen Pakt mit dem Teufel alias Mr. Nick (Tom Waits) ein. Als Tausch für seine Unsterblichkeit versprach der Doktor seine Tochter Valentina an ihrem 16. Geburtstag dem Teufel zu überlassen. Nun steht dieser Tag vor der Tür und Dr. Parnassus versucht verzweifelt, seine Tochter noch zu retten - natürlich mit einer Wette mit dem Teufel. Die skurille Theatertruppe macht sich mit ihrem Neuzugang, dem mysteriösen Anthony (Heath Ledger), auf eine unglaubliche Reise, deren Ausgang das Schicksal von ihnen allen beeinflussen wird.

Die Geschichte zollt natürlich neben den fast schon Gilliam-typischen Lewis Carrol-Einflüssen dem Klassiker Faust Tribut, bringt aber genug eigene Ideen mit, um frisch und unverbraucht zu wirken. Terry Gilliam schrieb hier mal ohne literarische Vorlage sein eigenes Drehbuch, und das ist ihm (zusammen mit Co-Autor und Freund Charles McKeown) gut gelungen. Basierend auf der einfachen Grundidee eines Geschichtenerzählers, dem keiner mehr zuhört und dem Bild von einem merkwürdigen alten Jahrmarktswagen, der durch das moderne London zieht, entwickelte sich ein teilweise sehr bizarrer Trip in eine Welt der Fantasie.

Und genau diese widersprüchliche Verbindung einer erfolglosen Theatertruppe in viktorianischen Kleidern und Pferdewagen mit dem neuzeitlichen, technologisierten London macht gleich in den ersten Minuten einen großen Reiz des Films aus. Doch spätestens wenn wir durch den Spiegel in die Fantasiewelten eintauchen, wird es richtig interessant! Jeder Trip durch den Spiegel ist anders, visuell überbordend mit bizarren Landschaften und Kreaturen und unglaublich verspielten Ideen. Mich haben diese Sequenzen sehr an Michel Gondry erinnert, der ja z.B. in The Science of Sleep auch von einem Realfilm nahtlos in skurille Traumwelten gewechselt hat. Und genau in diesen Szenen hat mir der Film am meisten Spaß gemacht - und Mr. Gilliam vermutlich auch! Einfach mal die Gesetze von Natur und Logik außer Kraft setzen und jede Welt verrückter erscheinen lassen als die vorherige. Die eine könnte einem LSD-Trip aus Fear and Loathing in Las Vegas entsprungen sein, die andere erinnert an die bonbonbunten Kulissen aus "Charlie und die Schokoladenfabrik" oder an das Dr. Seuss-Universum. Herrlich verrückt!

Und es wird gegen Ende immer bizarrer, und irgendwann kommt auch der genial-surreale Nonsens des Ex-Monty-Python Terry Gilliams wieder ins Spiel. Gilliam war ja bei Monty Python neben der Regie v.a. auch für die exzellenten animierten Cut-Out-Sequenzen zuständig, z.B. im Flying Circus und bei den Rittern der Kokosnuss. Diesen Animationen wird hier unübersehbar gehuldigt, wenn sich einige dusselige russische Auftragskiller plötzlich in einer apokalyptischen Wüste wiederfinden, als sich unversehens ein riesiger Polizistenkopf aus dem Boden bohrt und seine Zunge ausrollt, die dazu einlädt, der Polizei beizutreten. Dazu schmettert dann in bester Monty-Python-Tradition ein Polizei-Männerchor in Strumpfhosen und High Heels "We love Violence" (lyrics by Terry Gilliam) bis die Killer unter den Rock ihres überdimensionalen russischen Mütterchens fliehen, und diese daraufhin explodiert - bizarr!

Ich verstehe aber auch, dass mit so viel kreativem Unsinn einige Leute schlicht überfordert sind. Das war natürlich schon zu Zeiten von "Das Leben des Brian" so, doch hier wird die Rahmenhandlung (zumindest anfangs) um einiges ernster erzählt, so dass dieser Wechsel in die unwirkliche Erlebniswelt wohl doch einigen unpassend vorkommt. Mich als fanatischen Monty-Python-Fan störte dies wie gesagt nicht, ich liebe einfach diese nihilistische Herangehensweise ohne überhaupt den Versuch von tiefschürfenden Erklärungen zu machen.

Ja, und dann ist dieser mit fantasievollen Einfällen vollgepackter Film nach über 2 Stunden auch schon aus - ob mit einem Happy End oder nicht ist gar nicht so einfach zu sagen. Mit der Texttafel "A film from Heath Ledger and friends" wird in die Credits übergeleitet. Und dass bringt uns zu dem fast interessantesten Punkt - Heath Ledger und sein Einfluß auf die Fertigstellung dieses Films.

Und hier plauderte (der schon oft mit schwierigen Filmprojekten leidgeplagte) Terry Gilliam gestern abend dann aus dem Nähkästchen und erzählte einiges über die Schwierigkeiten und Herausforderungen bei diesem Film, allen voran über Heath Ledger:

Am 19. Januar 2008 brach Heath Ledger zu einem Kurzurlaub von den Dreharbeiten auf. Der größte Teil der Szenen seines Charakters, des ambivalenten, gedächtnislosen Tony, in der Realwelt waren abgeschlossen, in Kürze standen die Sequenzen in den Fantasiewelten (vor Greenscreen) an. Doch er kehrte nie wieder von seinem New York-Trip zurück, er starb am 22. Januar 2008 an einer Überdosis Tabletten.

Das plötzliche Ableben von einem der Hauptdarsteller des Films brachte die Produktion zunächst vollkommen zum Erliegen - Fassungslosigkeit, Trauer und Ratlosigkeit machten sich breit. Terry Gilliam war oft davor, den Film jetzt einfach bleiben zu lassen, denn die Alternativen - Neudreh aller Szenen mit einem anderen Schauspieler oder digitale Projektion von Ledgers Gesicht auf jemand anderen - schienen nicht wirklich verheissungsvoll. Schließlich entschloss man sich nach 5 Wochen dann zu einem ganz anderen Schritt, nämlich die restlichen Szenen seiner Rolle von 3 anderen Schauspielkollegen übernehmen zu lassen, die eng mit Ledger befreundet waren - Johnny Depp, Collin Farell und Jude Law. Da diese noch zu drehenden Szenen alle in der Welt hinter dem magischen Spiegel spielten, erklärte man kurzerhand die Veränderung im Aussehen des Charakters im Drehbuch durch den Übergang in die Fantasiewelt. Das dürfte Dr. Who-Fans nicht unbekannt vorkommen, hier wurde der wechselnde Schauspieler des Doktors ja auch schon durch ähnliche Tricks erklärt. Das hätte zwar sicherlich nicht mit jedem Film funktioniert, für ein Fantasy-Märchen wie dieses war es aber wohl die Rettung. Oder wie Gilliam sagte: "Having a magic mirror makes a lot of difference".

Drehbuch und Drehplan wurden dann relativ schnell in 2 Tagen angepasst, als die drei Schauspieler sich alle spontan für ihre Mitwirkung bereit erklärten. Sie unterbrachen z.T. ihre momentanen Filmprojekte und spielten ihre Rolle ein. Es gab kein Casting, keine wirkliche Vorbereitung oder Proben, nicht mal das bisherige Material von Heath Ledger wurde ihnen gezeigt. Dazu eine Anekdote von Terry Gilliam: die letzten auf Film gebannten Worte von Heath Ledger sind "Don't shoot the messenger" - nach dessen Tod sollte Johnny Depp in seiner ersten Szene einfach mal ein paar Sätze improvisieren und (angeblich ohne dies zu wissen) brummelte ein "Don't shoot the messenger" vor sich hin - creepy!

Auch hat Heath wohl einmal abends für eine Szene vor dem Eintritt in den Spiegel noch sehr lange in den Kulissen verschiedene Bewegungen geprobt, bis Gilliam meinte, er würde sich wie Johnny Depp bewegen - im fertigen Film folgt unmittelbar auf diese Szene der erste Auftritt von Mr. Depp.

Eine der letzten Szenen, die Heath Ledger für diesen Film gedreht hat, war dann auch noch besonders makaber. An einem Strick erhängt baumelte er von einer Londoner Brücke - die Setfotos gingen damals um die Welt, viele Fans waren schockiert weil sie die Bilder zunächst für echt hielten. Kurze Zeit später war er dann wirklich tot - traurig.

Durch den unerwartetenden Tod von Heath Ledger war im übrigen seine vor kurzem geborene Tochter Matilda noch nicht in seinem Testament (und damit Erbe) bedacht. Johnny Depp, Colin Farrell und Jude Law haben sich daraufhin entschlossen, ihre komplette Gage Matilda zukommen zu lassen - ein netter Zug der drei Herren.

Interessanterweise musste für den Einbau der 3 neuen Schauspieler keine Dialogänderung vorgenommen werden, lediglich einige wenige Szenen in der Realwelt mit dem Charakter Tony mussten entfallen. Zurückblickend meinte Terry Gilliam hat es der Dramaturgie des Film erstaunlicherweise gut getan, genau diese wenigen Szenen herauszunehmen. Er sprach sogar davon, dass durch die erforderliche Umstrukturierung dieser Film eigentlich mit "co-directed by Heath Ledger" versehen werden müsste, weil er sogar noch posthum den Film verbessert hat.

Letztlich funktioniert der Wechsel der Schauspieler meiner Meinung nach erstaunlich gut, einige Leute im Kino haben gar nicht mitgekriegt, ab wann Heath weg war und Johnny oder die anderen übernommen haben.

Und wie gut spielt Heath Ledger nun in seiner letzte Rolle? Nun, ich finde, an den Joker kommt er nicht ran, was aber auch daran liegt, dass er hier eine weitaus weniger im Vordergrund stehende Persönlichkeit verkörpert. Am Anfang ist er einfach nur verwirrt und ohne Gedächtnis, dementsprechend schusselig stolpert er durch die ersten Szenen, aber dann gewinnt er an Fahrt. Für mich eine sehr gute Performance von ihm, auch wenn die von Johnny Depp ihm in nichts nachsteht. Ehrlich gesagt hat der Charakter Tony im Film vielleicht auch nicht die Tiefe, um hier schauspielerische Höchstleistungen abzuverlangen, aber letztlich machen alle 4 Tony-Darsteller einen guten Job und überzeugen in ihren (bzw. ihrer einen) Rolle.

Zum Rest des Casts gibt es eigentlich auch nur positives zu sagen: Dr. Parnassus wird von Christopher Plummer dargestellt, einem Theater-Urgestein mit beachtlicher Leinwand-Präsenz. Hat mich z.T. sehr an Gandalf alias Ian McKellen erinnert. Es muss wohl auch nicht immer ganz einfach gewesen zu sein, mit ihm zu drehen (Gilliam: "When it comes to theater actors, you don't argue about entries and exits"). Lily Cole als die bezaubernde Valentina hat wie ich fand ihre Rolle als unschuldige, harmoniebedürftige traurige Sirene auch gut gemeistert und mich an Christina Riccis Rolle in Tim Burtons "Sleepy Hollow" erinnert. Der relativ unbekannte Andrew Garfield spielte den Assistenten Anton und wurde von Kritikern und Produzenten hoch gelobt - herausragend fand ich ihn jetzt zwar nicht, aber sicherlich auch nicht schlecht. Für den Zwerg Percy fand Terry Gilliam in dem kleinwüchsigen Verne Troyer wohl genau die richtige Besetzung. Verne Troyer war übrigens gestern abend auch dabei und stand mit Terry nach dem Film Rede und Antwort. Gilliam über Verne: "He made some awful comedies in recent times [Anspielung auf Austin Powers, Postal, ...], but now he could prove he is a real actor". Auch wenn das als Späßchen gemeint war, Verne Troyer macht seine Sache hier echt richtig gut, die Rolle des zynischen Zwergs in einer Freakshow ("Telling the truth - always a bad idea!") passt wirklich sehr gut zu ihm. Hat was von den Zwergen in Gilliams "Time Bandits"...

Und natürlich nicht zu vergessen, mein Lieblingsmusiker Tom Waits als der Teufel aka Mr. Nick. Und der spielt Satan als wettsüchtigen, knurrigen alten Kauz wirklich gut - man könnte sagen, er schauspielert so wie er singt. Als Tom Waits die Rolle des Teufels angeboten wurde, hat er übrigen sofort zugesagt, ohne das Script zu lesen. Am Set war er wohl die Liebenswürdigkeit in Person, im Film finde ich seine untypische Teufelsdarstellung exzellent - mir kam er jedenfalls sehr sympathisch rüber :-) Oder um mal aus einem alten Songtext von Tom Waits zu zitieren "Don't you know there ain't no devil, there's just God when he's drunk".

Letztlich bleibt aufgrund der Menge an Schauspielern und dem visuellen Overkill in dem Film den einzelnen Akteuren nur in kurzen Szenen Zeit, ihren Charakter darzustellen, was bisweilen natürlich auch etwas zerfahren wirkt und bei einigen wenig über deren Motivationen und Hintergründe durchblicken lässt. Trotzdem meiner Meinung nach bis ins Detail exzellent gecastet und geschauspielert!

Nun noch kurz ein paar Worte zu SFX und Musik: Natürlich waren eine Unmenge an Special Effects notwendig, um die virtuellen Traumwelten entsprechend umzusetzen. Dementsprechend dauerte die Post Production einige Monate, aus den ursprünglich ca. 200 CGI-Shots wurden z.B. letztlich über 600. Die Herkunft aus dem Computer ist an einigen Stellen leider unübersehbar und hat mich bisweilen schon etwas gestört. Allerdings fällt es hier im Gegensatz zu anderen Filmen, die die Wirklichkeit möglichst genau gerendert wiedergeben wollen, nicht so ins Gewicht, da ja alles in einer nicht-existenten Fantasie spielt. Mich als alten Handmade-SpecialFX-Fan versöhnten dann aber wieder einige Miniaturbauten und das gelungene Compositing.

Zur Musik ist nicht ganz so viel zu sagen. Die nicht ganz unbekannten kanadischen Brüder Jeff und Mychael Danna steuern wie auch für Tideland eine meist zurückhaltende und angemessene klassische Untermalung bei ohne auf herausragende Themen für einzelne Charakter Wert zu legen. Tom Waits lieferte (bis auf eine sehr kurze Sequenz) leider keine Songs für den Soundtrack, da er lt. Aussage von Terry Gilliam nur schauspielern wollte. Für den nächsten Film, scherzte Gilliam gestern, werde er Tom Waits dann nicht mehr in einer Rolle besetzen, damit er die Songs für seinen Film übernehmen kann.

Sounddesign war ok, keine aufdringlichen Effekte, sauber abgemischt, Dialoge gut verständlich, Sub nicht überansprucht - sorry, da kommt der Tontechniker in mir wieder durch :-)

Ach ja, einen von Terry Gilliam komponierten Handy-Klingelton gibt es am Anfang des Films übrigens auch zu hören, die nette Anspielung dahinter erschließt sich aber nur aufmerksamen Zuschauern gegen Ende des Films. Oder genauen Lesern des Abspanns :-)

Der Tod von Heath Ledger war dann übrigens nicht das einzige Problem - Producer William Vince starb einige Zeit später an Krebs und Terry Gilliam selber wurde bei einem Autounfall schwer am Rücken verletzt. Gilliam im Mai 2009 dazu in einem Interview mit seinem typischen trockenen Humor: "They were going for the trinity. That would have been a tidy end to the whole thing. But they didn't kill me. I'm stuck here to tell the tale."

Die Finanzierung und der Vertrieb waren ebenfalls größere Stolpersteine. Nachdem Gilliams voriger Film "Tideland" gefloppt war, wollten ihm v.a. die Hollywood-Banker kein Geld mehr geben, auch nicht nachdem bereits Heath Ledger mit an Bord war, da sie auch von ihm trotz des voraussichtlichen Erfolgs von The Dark Knight nicht so viel hielten (dazu Gilliam gestern: "Hollywood - so much money controlled by so much stupidity"). So wurde der Film letztlich komplett ohne Gelder aus USA finanziert, neben England haben sich hauptsächlich Deutschland, Italien, Frankreich und Japan daran beteiligt.

Auch hat sich bis jetzt für fast alle Länder ein Vertrieb gefunden, nur für die USA gibt es keinen, der den Film dort ins Kino oder auf DVD bringen will. Seufz, Amis, ihr gebt doch lieber Michael Bay die Millionen für den nächsten dämlichen Transformers-Film, oder?
Für Deutschland hat übrigens Concorde Filmverleih den Film übernommen, offizieller Kinostart ist für den 3. Dezember geplant.

Terry Gilliam hat mit Dr. Parnassus inzwischen schon mental abgeschlossen, er arbeitet intensiv an seinem vom Pech verfolgten Dauer-Irrläufer "Don Quixote", den er wieder zum Leben erwecken will. Hoffen wir mal, dass es diesmal besser klappt - momentan schreibt er am Drehbuch, Drehbeginn soll nächstes Frühjahr sein.
Ach ja, auf seine Anspielungen auf "Alice im Wunderland" bzw. Lewis Caroll in seinen Filmen angesprochen meinte er, er würde immer noch sehr gerne das Buch verfilmen. Tim Burton macht zwar gerade seine fantastische Version davon, allerdings würde Burtons Film wohl nicht das ganze Buch enthalten bzw. die Geschichte nur weiter erzählen, so dass in Zukunft Gilliam vielleicht doch noch die Möglichkeit hat, dieses wunderbar grausame Buch in seiner Variante auf die Leinwand zu bringen.

Nun aber doch zu meinem persönlichen Fazit des Films: Ja, er hat mich begeistert! Ich fand ihn wohltuend anders als die ganzen langweiligen Remakes und Reboots, die seit einiger Zeit unsere Kinos überschwemmen. Endlich mal wieder ein Regisseur, der eine eigene Geschichte fantasievoll auf die Leinwand bringt, ohne auf Hollywood-typische Kompromisse einzugehen. Da macht wieder mal jemand kreative Filme für intelligente Leute! Oder wie Festivalleiter Andreas Ströhl gestern meinte: "ein Kinderfilm für Erwachsene".

Okay, es ist nicht das große, alles in den Schatten stellende Meisterwerk geworden, dafür ist die Geschichte gegen Ende dann stellenweise doch zu dünn, unzusammenhängend und nicht überzeugend genug in ihrer Auflösung. Das wird aber durch die verrückten Einfälle der Welt hinter dem Spiegel wieder wett gemacht - Monty Python meets Michel Gondry und Tim Burton darf umrühren! Die bisweilen vorgebrachte Kritik am kitschigen Ende kann ich nicht so nachvollziehen, ich fand es angemessen. Natürlich darf man sich nicht von allzu bizarren Einschüben abschrecken lassen oder erwarten, eine bis ins letzte Detail auserzählte Auflösung zu erhalten. Wer die sucht, ist hier genauso falsch wie in einem David Lynch-Film.
Und so wie Lynch aus dem "Mulholland Drive"-Fiasko doch noch einen genialen Film hervorbringen konnte, so glaube ich hat auch hier die Katastrophe des verstorbenen Heath Ledger die Kreativität noch weiter angekurbelt. Eine äußerst unterhaltsame Hommage an die menschliche Vorstellungskraft ist daraus geworden, und das gefällt mir. Und wenn im BBC-Review ein Kritiker meint, der Film wäre "ultimately designed for an art house audience", dann will ich dem doch mal wiedersprechen. Nicht dass ich was gegen Arthouse hätte, im Gegenteil, aber so ein Film hat meiner Meinung nach die Aufmerksamkeit der breiten Masse wesentlich mehr verdient als die nächsten Millionen-Dollar-Blaupausen-Produktionen aus Hollywood, und ein bißchen Interesse an fantasievollen Filmen darf man Kinogängern ruhig zutrauen. Und mindestens zwei Explosionen hat Dr. Parnassus ja auch! (Gilliam vor dem Film: "Hey, there are even some intelligent parts in this movie that some of you might enjoy.")

Also letztlich ein unterhaltsamer Kinoabend - der Film hat mich zum Lachen und Nachdenken gebracht und über 2 Stunden gut unterhalten, das ist mir (trotz kleiner Schwächen) mein Eintrittsgeld absolut wert! Ich spreche meine Empfehlung aus verlange mehr von solchen Filmen im Kino!

Und zum Abschluß noch ein schönes Zitat von Terry Gilliam bei der Premiere in Cannes: "I saw trailers from 'Transformers,' 'G.I. Joe,' 'Harry Potter' - they all had the same explosions, the same sound mix, the same rhythms, it was all the same film, Hollywood's been doing this for 20 years. When's it going to end?"

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